Im Dschungel der Scrum-Zertifizierungen: Was brauche ich als Scrum Master wirklich?

Genau vor dieser Frage stand ich zu Beginn meiner Karriere und ich muss gestehen, dass ich dem Thema damals sehr skeptisch gegenüberstand. Alle haben von Scrum-Zertifizierungen gesprochen. Das Wort „agil“ konnte man auf dem Flur aufschnappen, egal in welchem Bereich man gerade unterwegs war. Auch in Meetings kam es immer und immer wieder auf. Es schien mir, dass jeder bestens über agile Methoden Bescheid wusste.

Auf den zweiten Blick wurde mir aber klar, dass das nicht stimmte. Jeder interpretierte „agil“ anders. Es wurde Zeit, mich dem Thema zu stellen, mit den Vorurteilen aufzuräumen und endlich Klarheit zu gewinnen. Von dieser Reise zum Scrum Master möchte ich berichten.

Meine Scrum-Fortbildung: die „klassischen“ Scrum-Zertifizierungen

Damals hatte ich die Möglichkeit, interne Schulungen wahrzunehmen. Da ein guter Bekannter mir SERVIEW Trainings empfohlen hatte, war ich davon überzeugt, dass ich mir irgendwie die Freigabe besorgen musste, um eine Scrum-Schulung in Bad Homburg zu besuchen. Die Erfahrungen, die meine Bekanntschaft machen konnte, klangen einfach zu gut!

So startete ich ganz klassisch mit der Scrum Master Qualifikation (PSM) und war sofort überzeugt. Ja, in der Schulung geht es um absolute Grundlagen, doch genau diese werden nach meinem Empfinden in vielen Fällen schon nicht verstanden. Als ich eine Woche nach meiner Schulung wieder zurück im Tagesgeschäft angekommen war, wurde das besonders sichtbar.

Im Laufe der Zeit wurde mir klar, dass ich mich noch intensiver mit Scrum auseinandersetzen muss, um es in der Organisation wirklich voranzubringen und all seine Vorteile zu nutzen. Es folgte also die nächste Schulung und anschließende Zertifizierung zum Scrum Product Owner (PSPO), später dann auch PSMII. Ich wollte noch mehr Techniken kennenlernen, um die Entscheidungsfindung innerhalb des Teams nachhaltig zu verbessern. Auf der Agenda standen daher die Facilitation mit Liberating Structures und das bessere Verständnis für die Herausforderungen des mittleren Managements.

Der Weg in die Praxis: Das habe ich mitnehmen können

Eine Erkenntnis nahm ich schon sehr früh mit in die Praxis: Neben den Hard- und Softskills, die ein Scrum Master mitbringen sollte, kommt es vor allem darauf an, das Team bei Entscheidungen mit einzubinden. Das Team muss dabei nicht zum Scrum Master passen, sondern der Scrum Master sollte viel mehr zum Team passen. Ein einfacher Weg, den richtigen Scrum Master zu finden, ist, die Teammitglieder zu fragen, wie sie sich den perfekten Scrum Master für ihr Team vorstellen. Woher sollen wir auch wissen, ob der Scrum Master für das Team geeignet ist, wenn man das Team nicht befragt und es nicht in die Entscheidung einbezieht? Vor allem, weil die Aufgaben des Scrum Masters von Team zu Team sehr unterschiedlich sind. Daher macht man schon den ersten großen Fehler, wenn man das Team nicht involviert – als Facilitator, Trainer, Berater, Coach und Mentor ist doch gerade der „personal fit“ so extrem wichtig.

Wie wichtig diese persönliche Basis tatsächlich ist, merke ich noch stärker in einer Zeit, in der eine Pandemie dafür sorgt, dass wir zu Hause bleiben und einen noch geringeren Austausch mit unserem Team pflegen. Für mich als Scrum Master ist es eine der Hauptaufgaben geworden, einen guten Draht zu den einzelnen Mitgliedern im Team herzustellen, um meiner Rolle wirklich gerecht zu werden.

Meine wichtigsten Learnings: Darauf werde ich auch in Zukunft achten

Was habe ich in all dieser Zeit gelernt? Ganz klar, dass Scrum ein unvollständiges Framework ist, dass von den Menschen abhängig ist, die es nutzen. Wenn die Menschen, die damit arbeiten, es für sich nicht weiterentwickeln, werden keine Erfolge eintreten. Sich nur auf die Theorie zu beziehen und nichts als den Scrum Guide 2020 zu sehen reicht nicht aus, um wirklich erfolgreich zu sein.

Was ich zusätzlich oft feststellen muss: Trotz vorliegender Scrum-Zertifizierungen fehlt vielen Scrum Mastern das gewisse Maß an Empathie. Einfühlungsvermögen aufzubauen und sich darin zu verbessern ist nicht einfach – das merke ich auch an meiner eigenen Person. Für einen Scrum Master sollte das jedoch ganz oben auf der Liste stehen. Es ist unglaublich wichtig, zu verstehen, dass die Umstellung auf agile Prozesse für alle Beteiligten eine unglaublich große Veränderung im Arbeiten sowie im eigenen Denken darstellt. Genau dieses Verständnis brauchen wir, um unseren Kollegen zu signalisieren: Es ist okay, dass gerade nicht alles rund läuft. Fehler gehören im Arbeiten dazu und das ist auch gut so, denn aus ihnen lernen wir und entwickeln uns weiter.

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