Gleichers Formel: So führen Sie Veränderungen zum Erfolg
Im beruflichen Alltag kommt es oft vor, dass wir uns auf das nächste „neue“ Framework stürzen in der Hoffnung, dass sich damit sämtliche Probleme von selbst erledigen. Diese Erwartung führt zeitnah zu Ernüchterung und man lässt schnell von der gewollten Veränderung ab. Am Ende bleibt alles wie bisher und wir haben Ressourcen verwendet, ohne einen Mehrwert zu erzielen, mit anderen Worten, wir haben sie verschwendet. In der Beratung von Unternehmen und in Trainings ist die Frage, warum es immer wieder zu diesen Situationen kommt, allgegenwärtig. Eine pauschale Antwort gibt es leider nicht, vielmehr kommt es auf den konkreten Einzelfall an. Eine Möglichkeit, die ich gerne aufzeige, wenn es um Change Management geht, ist Gleichers Formel der Veränderung.
Gleichers Formel der Veränderung
Die Formel wurde bereits in den 60ern von David Gleicher veröffentlich und später von Kathie Dannemiller weiterentwickelt. Nach dieser Formel kann man überprüfen, ob bzw. wie eine Veränderung im Unternehmen stattfinden kann. Hierbei muss das Produkt aus den drei Faktoren „Unzufriedenheit“ (U), „Veränderungsvision“ (V) und „die ersten Schritte“ (eS) größer sein als der Widerstand (W) gegen diese Veränderung, also:
U * V * eS > W
(bzw. im Original: D * V * F > R)
Punkt 1: Unzufriedenheit führt zum Veränderungswillen
Der erste Faktor, also die Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation, klingt relativ simpel und einleuchtend. Denn jemand, der mit dem Status quo zufrieden ist, sieht auch keinen Grund etwas zu ändern („Wenn etwas nicht kaputt ist, dann repariere es nicht!“). Die Unzufriedenheit zu erkennen ist essenziell für das weitere Vorgehen. Liefern wir schlechte Qualität bei unseren Produkten oder Services? Ist das ITSM-Tool zu kompliziert aufgebaut oder nicht an die Prozesse angepasst? Führen wir zu viele störende, repetitive Aufgaben durch? Kommt es zu Fehlern in der Kommunikation? Mangelt es an Transparenz? Sind Abläufe zu bürokratisch oder mit zu langen Wartezeiten verbunden? Diese Liste lässt sich bis ins Unendliche weiterführen.
Wird beispielsweise durch die VoC-Methode (Voice of the customer) eine Lücke zwischen Kundenanforderung und dem Erfüllungsgrad festgestellt, lässt sich eine Unzufriedenheit sehr schnell erfassen, denn wer möchte schon Services liefern, die nachweislich die Kundenanforderungen nicht erfüllen. Genauso kann man beispielsweise auch gegen OKRs (Objective & Key Results) prüfen, ob man auf dem richtigen Weg ist oder davon abweicht. Was am Ende feststeht, ist die Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation. Oftmals wird nun vergessen, diesen Unzufriedenheitsfaktor zu kommunizieren. JEDER Beteiligte muss verstehen, warum dieser Faktor bereinigt werden muss, denn ein Mensch, der nicht versteht, warum er etwas verändern sollte, wird es auch nicht tun. Das „Define“ aus dem DMAIC-Zyklus setzt beispielsweise genau dort an.
Punkt 2: Veränderungsvisionen geben die Richtung vor
Wenn nun der erste Faktor gefunden wurde, kann man sich dem zweiten Faktor widmen, nämlich der Veränderungsvision. Diese Veränderungsvision sollte sinnvollerweise die Unzufriedenheitsfaktoren aufnehmen und beseitigen. Nun lässt sich die aktuelle Situation nicht von heute auf morgen ändern. In den meisten Fällen ist dieses ein langwieriger Prozess oder anders gesagt: Es ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Man benötigt einen Fokuspunkt, einen Nordstern zur Orientierung, der einen auf Kurs hält.
Stellen Sie sicher, dass der zukünftige Zustand dauerhaft bekannt ist und ermutigen Sie durch die Fokussierung auf die Veränderungsvision Mitarbeiter dazu, nicht wieder in alte Verhaltensmuster zu verfallen. Visualisierungs- bzw. Kommunikationsmöglichkeiten hierfür gibt es viele. Eine Maturity Matrix oder ein Vision Board wären zwei Beispiele dafür. Die Ziele, die man sich bei diesem Faktor setzt, müssen realistisch bzw. erreichbar sein (ja, natürlich dürfen Sie sich SMARTe-Ziele setzen!). Etwas, was offensichtlich außerhalb des Machbaren liegt, verpufft entsprechend. Des Weiteren bewirken kleinere Ziele, die ich schneller erreichen kann, dass ein größerer Rückhalt für den weiteren Ablauf geschaffen wird.
Punkt 3: Erste Schritte in Richtung Ziel
Im Anschluss geht es an die Umsetzung bzw. den dritten Faktor, nämlich die ersten Schritte in Richtung des zukünftigen Zustands. Erfahrungsgemäß ist dieser Punkt einer der häufigsten Gründe, warum sich Veränderungen im Unternehmen nicht durchsetzen. Nein, ich werde nicht „agil“, indem ich einen „Agile-Raum“ einrichte! Nein, ein Systemadministrator wird nicht zu einem DevOps Engineer, nur weil ich seine Positionsbezeichnung ändere! Nein, einfach ein anderes ITSM-Tool auszuwählen wird unsere Schwierigkeiten in den Prozessen nicht lösen! Wir müssen anfangen, Veränderungen mit dem Fokus zu verfolgen, den sie benötigen. Wir haben im zweiten Faktor den zukünftigen Zustand definiert und im ersten Faktor die Begründung geliefert, warum wir dorthin möchten. Warum zögern Unternehmen dennoch, wenn es darum geht, Veränderungen mit der nötigen Zielstrebigkeit umzusetzen?
Wichtig: Change Management braucht Zielstrebigkeit
Eine Veränderung wird nur erfolgreich sein, wenn die Mitarbeiter in einem Unternehmen sehen, dass es der Führung ernst ist. Neue Tools, neue Abläufe und Ähnliches setzen voraus, dass Mitarbeiter die Fähigkeiten erlernen, die für die Anwendung bzw. die Bedienung notwendig sind. Die Veränderung stellt einen Fulltime-Job dar, den man nicht nebenbei erledigt. Als Führungskraft muss man seinen Mitarbeitern dazu die Zeit sowie die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen. Eine Schulung in DevOps, ITIL oder in jedem anderen Framework, je nachdem, was in der konkreten Situation am besten passt, unterstreicht, dass sich das Unternehmen in diese Richtung entwickeln möchte und führt dazu, dass die Investitionen in die Veränderung sichtbar werden.
Wenn man schon mehrere Anläufe für Veränderungen gestartet und diese nie mit der nötigen Zielstrebigkeit untermauert hat, setzt früher oder später eine Veränderungsmüdigkeit ein, die zu Aussagen wie „Das ist doch die gleiche Sau, die wir jedes Jahr durch das Dorf treiben!“ führt, wodurch der Widerstand gegen diese Veränderung wächst. Sollten Sie das bereits in ihrem Unternehmen beobachten, sollten Sie prüfen, was bei den bisherigen Versuchen schiefgelaufen ist. An dieser Stelle hat sich in meinen Augen der Ansatz eines externen Mitarbeiters bewährt. Egal, ob als Berater, Agile Coach oder Ähnliches: Eine externe Person im Unternehmen manifestiert den Änderungswunsch und die Änderungsbereitschaft im Unternehmen. Natürlich ist das Einbringen von externen Mitarbeitern kein Allheilmittel, es liefert jedoch einen objektiven Blick auf die aktuelle Situation und unterstreicht die Veränderungsbemühungen.
Punkt 4: Umgang mit dem Widerstand
Wenn die drei genannten Faktoren gegeben sind, muss laut Gleichers Formel das Produkt daraus größer sein als der Widerstand. Das heißt auch, dass, wenn einer der drei Faktoren 0 beträgt, das Produkt ebenfalls 0 ergibt und wir den Widerstand nicht überwinden werden! Folglich müssen wir wissen, wie groß der Widerstand gegen die Veränderung ist – oder wie Sunzi sagte: „Wenn du dich und den Feind kennst, brauchst du den Ausgang von hundert Schlachten nicht zu fürchten.“
Der Widerstand kann sich auf unterschiedliche Arten manifestieren. Sind die Kosten zu hoch? Wie viele Bemühungen müssen wir in Veränderung stecken? Haben wir die Zeit dafür? – und so weiter. Den Widerstand vorherzusagen ist in den meisten Fällen nur ansatzweise möglich. Stakeholderanalysen tragen hier einen wesentlichen Faktor bei. Wir müssen wissen, welche Entscheidungsträger und Stakeholder es im Unternehmen gibt, um diese gegebenenfalls abzuholen und positiv zu beeinflussen. Sich zu verändern, die bekannten Gefilde zu verlassen, Neues zu probieren kostet Kraft, Mut und eine gewisse Portion Selbstüberwindung – das ist im Zweifel eine normale menschliche Reaktion. Wenn die Veränderung aber zu einem stetigen Begleiter wird, kann man sie unter anderem durch Transparenz zur Normalität werden lassen und ihr ein wenig das Beängstigende nehmen.
Auch Gleichers Ungleichung ist kein Allheilmittel, um sicherzustellen, dass eine Veränderung tatsächlich erfolgreich umgesetzt wird, denn dafür sind am Ende des Tages alle Beteiligten verantwortlich. Sie unterstützt aber die Gesamtbetrachtung der Veränderungsinitiative.
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